Wer einen dominanten inneren Kritiker hat, braucht keine Feinde
Ich sitze gerade auf dem beige-grauen Sofa in meiner Ferienwohnung in den österreichischen Alpen und übe mich im Urlaub-machen. Genauer gesagt mache ich gerade eine Pause (vom Urlaub), schliesslich habe ich den Laptop aufgeklappt und schreibe diese Zeilen.
Wenn du mich schon so halb im Urlaub, halb am Arbeiten ertappst, dann kann ich dir auch gleich etwas ganz Persönliches erzählen.
Was bzw. wer mich diese Tage besonders beschäftigt, ist mein innerer Kritiker. Kennst du den auch? Kennst du seine Stimme oder hast du sie versehentlich mit deiner eigenen verwechselt?
Wir Frauen sind besonders gut darin, uns selber fertig zu machen. Dann vergleichen wir uns mit anderen, vorzugsweise viel schöneren, erfolgreicheren und charmanteren Leuten und schneiden erwartungsgemäss schlecht ab. Stundenlang können wir unsere Schwachstellen mikroskopisch genau beschreiben, aber wenn wir nur 3 Minuten lang einmal über unsere Stärken reden sollen, dann fällt uns nichts ein.
Das Interessante daran ist, dass das allen so geht.
Sogar Supermodels haben diesen inneren Kritiker, sogar die erfolgreichsten Leute auf dieser Welt haben ihn. Er geht nicht weg, wenn wir mehr Sport machen, noch drei Ausbildungen, mehr verdienen oder noch mehr Kunden glücklich machen.
Es könnte immer noch mehr sein. Du könntest immer noch besser sein. Sei besser! – das ist die absurdeste Aufforderung, die wir an jemanden stellen können. Und doch machen wir es mit uns selber am laufenden Band.
Was können wir dem inneren Kritiker also entgegenstellen?
Zuerst einmal ist wichtig, dass wir dem Kritiker einen angemessenen Platz zuweisen. Er ist kein Böser, er will uns im Grunde nur beschützen. Ohne ihn würden wir unsere Fähigkeiten haushoch überschätzen. Wir würden uns alles zutrauen! Du würdest ohne mit der Wimper zu zucken anbieten, deine Grossmutter zu operieren, nur weil du alle Folgen von Grey’s Anatomy geschaut hast.
Also leg das Schlachtmesser wieder ab, den Kritiker brauchen wir doch noch.
Was der Kritiker allerdings sagen darf und wann, das bestimmst immer noch du.
Du hast ja mehrere Seelen in deiner Brust, mehrere Stimmen. So wie das kleine Teufelchen und das Engelchen, die sich in deinem Kopf streiten. Wem du Beachtung schenkst, das liegt an dir.
Wie es das Sprichwort will, gibt es da eine hypothetische Latte, die wir hoch oder auch niedrig legen können. Das ist ein Akt, den wir zwar meist unbewusst vollziehen, aber wenn wir hier schon darüber reden, können wir es auch grad bewusst machen.
Einer persönlichen Beobachtung von mir zufolge (das ist also keine wissenschaftlich fundierte Aussage) legen Männer oft die Latte so, dass sie selber gerade noch „im Rahmen“ sind. Ich darf ab und zu den Wein-Club meines Partners hosten und finde die Unterhaltungen zwischen diesen Männern jeweils höchst amüsant. Die meisten von ihnen haben inzwischen etwas Speck angesetzt, sie nennen dieses neue Körperteil liebevoll einen Wohlstands-Ranzen. Entgegen meinen Erwartungen thematisieren die Männer auch ihr Gewicht, aber jeder einzelne findet, er sei noch okay. Er hat zwar 10 oder 15 Kilo mehr als noch vor ein paar Jahren, aber er findet sicher irgendeinen Kollegen, der noch mehr auf den Rippen hat und beschliesst für sich, dass er selber okay ist.
Ganz anders in einer Frauenrunde. Finde einmal eine Frau, die zufrieden ist mit ihrer Figur! Okay, das ist vielleicht das platteste Beispiel, das mir einfallen konnte. Aber ich sehe auch in vielen anderen Bereichen, dass Frauen von einem regelrechten Optimierungswahn befallen sind (und hier bin ich auch schuldig).
Wenn wir den Kritiker einfach dominieren lassen, wenn wir ihm nicht seinen angemessenen Platz zuweisen, was opfern wir dafür? Was flöten geht ist die Lebensfreude, der Genuss des Moments, auch unsere Beziehungen leiden oft unter dem ständigen Gemeckere in unserem Kopf.
Und wo wir uns ganz besonders ein Bein stellen: Herausfordernde Situationen im Job, in denen wir Selbstsicherheit und ein souveränes Auftreten brauchen. Wie ein Vorstellungsgespräch, eine Präsentation, eine Verhandlung, ein wichtiges Meeting, eigentlich immer. Wenn unser innerer Kritiker dann nicht gut abgerichtet ist und brav bei Fuss geht, dann gute Nacht.
Wer einen dominanten inneren Kritiker hat, braucht keine Feinde.
Mein Vorschlag für dich heute: Höre einmal ganz bewusst auf die Stimme deines inneren Kritikers, um sie von deinen anderen Stimmen zu unterscheiden. Schreib vielleicht sogar auf, was du da hörst. Und dann gönne dir eine halbe Stunde Pause von dieser Stimme, so wie ich mir gerade eine Pause vom Urlaub gönne. (Urlaub heisst für mich 24/7 mit meinen wilden Jungs zu verbringen. Glaub mir, ich liebe diese Pause! Und jetzt ist sie gleich wieder um.)
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Verena Tschudi ist Coach für Karriere und Leadership. Sie ist die Herausgeberin des Podcasts LEVEL ME UP! und inspiriert ihr Publikum für mehr Erfolg und Erfüllung im Job.
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